Römischer Goldring mit Gemmenstein

Veröffentlicht am 5. Dezember 2023 um 14:40

Den Kaiser am Finger tragen – ein römischer Goldring aus Nassenfels

von Jun.-Prof. Dr. Nadine Burkhard

Nassenfels, ehemaliger Kastellstandort und Zivilsiedlung Scuttarensium, ist schon lange für herausragende römische Funde bekannt. Exzeptionell ist nun der Fund eines römischen Goldrings mit geschnittenem Ringstein. Die leuchtendrote Gemme gehört zu den Intaglien mit vertieftem Relief auf der Oberfläche. Der rote durchscheinende Ringstein von 1,86 cm Durchmesser ist ein Karneol, ein besonders beliebter Stein für römische Gemmenringe.

Ring und Gemme sind gut erhalten; die Ringsteinoberfläche zeigt feine Kratzer. Der Ringstein wurde leicht vertieft in den Goldring eingelassen, die Rückseite ist geöffnet. Die Ringfassung ist zur Gemmenkante umlaufend vertieft. Das Gesamtgewicht des Rings mit Stein beträgt 8,46 Gramm.

Auf dem Nassenfelser Ringstein sieht man einen nach links gedrehten Kopf im Profil; um den Halsansatz ist noch ein Teil des Manteltuchs erkennbar. Dargestellt ist ein junger Mann mit kurzem, wohl in Sichellocken angeordnetem Haar. Das Haar bedeckt das Ohr und bleibt auch im Nacken kurz. Der Dargestellte trägt einen Kranz aus Lorbeerblättern, der im Nacken mit langen Bändern zusammengebunden ist. Diese Tänien flattern nach hinten.  Das Gesicht wird durch eine große gerade Nase geprägt, das Auge im Profil ist weit geöffnet, der Mund mit kraftvollen Lippen ist leicht offen.

Die Gravur ist mit kurzen kräftigen Strichen ausgeführt, nur das Haar am Oberkopf zeigt längere parallele Linien. Der Stil tritt in der römischen Gemmenkunst ab augusteischer Zeit auf und ist häufiger im 2. und 3. Jh. anzutreffen. Der eher breite Büstenansatz wird so erst ab dem 2. Jh. üblich. Die Ringform mit leicht zur Fassung gerundeter Schulter über fast rundem Reif ist typisch für die römische Kaiserzeit. Die römischen Kaiser werden seit Augustus mit dem Lorbeerkranz im Haar dargestellt, gerade auf Münzen und Gemmen. Erst in der Tetrarchie – der Vierkaiserherrschaft – kommt das schmucksteinbesetzte Diadem auf, mit dem ab Konstantin die Kaiser ausschließlich dargestellt werden. Das kurze Haar, gerade auch im Nacken, die Bartlosigkeit und der Lorbeerkranz und verweisen auf einen Kaiser im Umfeld der Soldatenkaiser. So werden die römischen Herrscher des 3. Jahrhunderts genannt, die ihre Macht vor allem dem Heer verdankten. Da unter diesen ab Gallienus (253-268) jedoch auch der Bart wieder Mode wurde, könnte der Portraitierte eher Gordianus III. oder Severus Alexander [1] darstellen, und der Ringstein aus der 1. Hälfte des dritten nachchristlichen Jahrhunderts stammen.

Da der Ring in der Verfüllschicht des ehemaligen Burggrabens der Talburg von Nassenfels gefunden wurde, hilft der Fundort zur Datierung nicht weiter. Er war wohl als Antiquität auch im Mittelalter getragen worden und ging im Umfeld der Burg verloren. Römische Ringsteine erfreuten sich eines verbreiteten Nachlebens: Sie wurden im Mittelalter in Schmuck und kirchliches Gerät eingearbeitet, etwa in Reliquienbehälter und Leuchter.

Diese verzierten Ringsteine wurden von spezialisierten Gemmenschneidern hergestellt. Man trug sie in Ringfassungen am Finger. Sie dienten dem Siegeln von Briefen, Urkunden oder Päckchen, in dem man das Siegel in weiches Wachs drückte, daß auf die Verschlußstelle

getropft wurde. Im militärischen Umfeld wurden z. Bsp. auch Militärdiplome mit einem Siegel beglaubigt. Im Limesgebiet sind viele solcher Gemmensteine gefunden worden; sie waren unter den Soldaten verbreitet. Im Hinterland wie in Nassenfels sind sie eher selten. Aus der benachbarten römischen Villa in Möckenlohe stammen lediglich zwei Ringsteine; einer mit Glückssymbol, der andere mit Eros, dem Begleiter der Venus.

Gemmensteine gehören wohl deshalb in größerer Zahl zum Fundgut aus der Römerzeit, weil sie erstaunlich oft verlorengingen, ohne, daß es bemerkt wurde. Offenbar griff man in der Antike auf einen unzureichenden Klebestoff, wie etwa Wachs oder Pech, zurück. Selten war der Ringstein in einer kleberfreien Fassung befestigt. Die Bilderwelt ist vielfältig: von Symbolen und Worten, über Tiere und Mischwesen, bukolische Szenen und solche aus dem Alltag sowie mythische Szenen, Gestalten und Götter bis zu Portraits, vor allem aus dem Kaiserhaus. Da man den Ring direkt am Körper trug und das Bildnis sichtbar war, hatte es für den Träger verschiedene Bedeutungen, einen persönlichen Bezug zu einer Gottheit, ein Bekenntnis zum Kaiserhaus, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, aber auch der Wunsch, sich vor Zauber, Mißgunst und Schicksal zu schützen. Magische Gemmen mit Zauberformeln waren sehr beliebt. Auch das Material konnte motivbezogen gewählt sein: Magnetite wie die sog. Blutsteine etwa für magische Gemmen; rote, violette und goldgelbe Gemmen gern für Kaiserportraits.

Gemmen können also in Motiv und Material Einblick in die Vorstellungen des Trägers geben, etwa zu seinem persönlichen und politischen Standpunkt. Wer das Portrait des Kaisers am Finger trug, wird in besonderer Weise seine Loyalität zu ihm betonen. Der Nassenfelser Ring wird einem Veteranen aus dem Kastell gehört haben, wohl einem einst höhergestellten Militärbeamten, vielleicht einem Offizier. Das Kastell bei Nassenfels bestand nur vom Ende des 1. bis ins 2. Jh., aber der Zivilort Scuttarensium blieb auch nach Aufgabe des Kastells bis nach der Mitte des 3. Jh. bestehen.

Da die Bauarbeiten, bei denen der Ring zutage kam, angemeldet und archäologisch begleitet wurden, ist der Ring heute Teil der Heimatgeschichte und kann wissenschaftlich gewertet werden.

 

[1] Ein als Severus gedeuteter Kaiser mit Lorbeerkranz und Mantel, allerdings mit ausrasiertem Stoppelbart, auf einem Ringstein (Chalcedononyx, 1,7cm L, um 220/30 n. Chr., aus der Stiftung Helmut Hansmann, in: R. Wünsche – M. Steinhart (Hrsg.), Zauber in edlem Stein. Antike Gemmen. Die Stiftung Helmut Hansmann (Lindenberg im Allgäu 2010) 87 Nr. 74.